Immer wieder kommt jemand auf die Idee, die Vermehrung wildlebender Hauskatzen durch die Sterilisation von Katern zu verringern. Der Ansatz erscheint verlockend: Wenn man die eingefangenen Kater, wie im Tierschutz üblich, kastriert, werden sie von potenten Katern nicht mehr als Kater erkannt. Die Tiere stellen die Revierverteidigung gegenüber anderen, unkastrierten Katern ein, es wandern fremde Kater ins Gebiet ein und sorgen weiterhin für Nachwuchs. Tatsächlich trägt die Kastration von Katern zur Reproduktionskontrolle einer Katzenpopulation überhaupt nichts bei. Man erwischt nie alle Kater, und die unkastrierten decken weiterhin alle unkastrierten Katzen. 2-3 potente Kater sind in der Regel die Väter aller in einem Jahr geborenen Jungtiere von 10-15 Weibchen. Wenn mehr unkastrierte Kater im Gebiet leben, decken nicht alle. Würde man diese Deckkater sterilisieren, so denkt man, würden sie ihr Revier weiter verteidigen, fremde Kater fernhalten und die Katzen decken. Da sie ja nicht zeugungsfähig sind, gäbe es auch keine Kätzchen, und man könnte ohne großen Aufwand viele Weibchen aus der Reproduktion nehmen.
Aber so einfach ist das nicht. Das Verhalten von Katzen (und anderen Tieren) ist zu kompliziert für einfache Ansätze. 😉
Wird eine rollige Katze von einem sterilisierten Kater gedeckt, wird sie anschließend ein paar Tage oder Wochen scheinträchtig, und danach wird sie wieder rollig. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie dieses Mal von einem anderen Kater gedeckt wird (wie gesagt, alle Kater erwischt man nie), dann wird sie ganz normal trächtig und zieht die Jungen dieses Jahres etwas später auf. Wenn es gleich beim ersten Kater klappt hat sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr Jungtiere. (Wildlebende Katzen haben normalerweise nur einen Wurf pro Jahr, es sei denn, die Jungen werden frühzeitig weggenommen oder sterben.) Die Revierverteidigung von Katern ist niemals vollständig, es sind immer mehrere reproduzierende Kater da. Außerdem wechseln in der Regel die Deckkater eines Gebietes jährlich, da unkastrierte Kater eine hohe Sterblichkeitsrate haben und häufig von einem Gebiet in ein anderes abwandern. Man müsste also ständig neue Kater nach-sterilisieren, um den gewünschten Effekt in einem Gebiet zu erhalten (falls man ihn jemals erreicht).
Medizinisch ist die Sterilisation von Katern relativ kompliziert und damit teuer, die Kastration dagegen einfach. Für weibliche Katzen sind häufige Scheinträchtigkeiten wahrscheinlich schädlich, von Wohnungskatzen weiß man, dass häufig scheinträchtige Tiere zu Tumoren und Zysten der weiblichen Geschlechtsorgane neigen.
Fazit: Der Aufwand, Kater zu sterilisieren, lohnt sich nicht. Die Reproduktionskontrolle wildlebender Katzen sollte sich auf die Kastration von Weibchen konzentrieren. Die Kastration oder Sterilisation von Katern ist dagegen wenig effektiv.