Fragen und Antworten zur Frühkastration von Katzen

> Ich meine, es ist mir klar, dass ein potenter Kater so seine Probleme mit einem Frühkastraten haben dürfte… aber mit unkastrierten Jungtieren und spät kastrierten Kastraten doch auch, oder?

Die Probleme hat der Frühkastrat, nicht der potente Kater.

Unkastrierte männliche Jungtiere werden irgendwann vertrieben oder wandern von selbst aus. Das ist biologisch sinnvoll und bei vielen Tierarten so (beim Menschen ursprünglich auch), im Endeffekt verhindert es Inzucht und verbessert die Erschließung neuer Lebensräume, aber das Jungtier wird ja älter. Für einen Frühkastraten bleibt das so.

Spät kastrierte Kater werden nicht angegriffen, die stehen außerhalb der Katerhierarchie.

> Sind dann aber nicht die unkastrierten Kater das eigentliche Problem?

Die sind aber natürlicherweise da, Frühkastraten nicht.

> Rein aus persönlicher Erfahrung traue ich mich zu sagen, dass gerade Jungtiere oft den liebevollen und spielerischen Kontakt untereinander suchen und als Frühkastraten diese Eigenheit gut bewahren. Bei Wohnungskatzen bedeutet das weniger Stress, weniger Rangordnungskonflikte…

Ja, bei Wohnungskatzen! Und da dürfte es auch nur gelten, wenn ALLE Tiere Frühkastraten sind, falls mehrere gleichgeschlechtliche Tiere in einer Wohnung leben. In meinem Text geht es aber um wildlebende Hauskatzen, und da sind immer auch unkastrierte andere Katzen anwesend.

> Ich glaube, das ist eine Sichtweise, die oft vernachlässigt wird, wenn sich jemand mit der Verhaltensphysiologie der Katze beschäftigt. Ich kann mich da z.B. auch an eine Textstelle in „Katzenseele“ (Leyhausen, Pfleiderer) erinnern, wo gefordert wurde, man möge doch besonders intelligente und aktive Katzen anstatt besonders hübsche Katzen züchten. Ohne dabei daran zu denken, was es für ein besonders intelligentes und erlebnisfreudiges Tier bedeuten würde, das normale Leben eines Heimtieres führen zu müssen.
> Oder anders gesagt… ich frage mich, ob es für ein frühkastriertes Tier nicht leichter ist, sich im heutigen Haltungsumfeld zurechtzufinden.

In der Wohnungshaltung kann das durchaus sein.

> Und ob auf lange Sicht, nicht auch verwilderte Katzenpopulationen, die aus früh kastrierten Tieren bestehen, weniger konfliktträchtig sein könnten als wenn – sofern man es irgendwie anstellen kann – alle erst mit Erreichen der Geschlechtsreife (müsste es dann nicht eigentlich die soziale Reife sein?) kastriert werden.

Eine verwilderte Katzenpopulation aus frühkastrierten Tieren wäre ein Widerspruch in sich, die gäbe es nicht lange, falls überhaupt. Unkastrierte Katzen würden zuwandern, die Frühkastraten vertreiben und das Gebiet übernehmen. Falls es überhaupt gelingen würde, alle Tiere früh zu kastrieren, was ich für unmöglich halte. WENN man wildlebende Katzen als Jungtiere kastrieren will, sollte man sie nicht mehr rausbringen, sondern als Haustiere vermitteln. Wenn das nicht geht, würde ich Katzen evl. trotzdem kastrieren, aber bei Katern eher auf die Kastration verzichten.

> Die Studie schloss, dass die Frühkastration mehr Vorteile als Risiken birgt, insbesondere für Kater, bei denen weniger Urinmarkieren und Aggressionen beobachtet wurden.

Dass die Kater DAS für einen Vorteil halten, wage ich zu bezweifeln. 😉

> Wenn er deswegen nicht ins Tierheim geschoben, bei Kämpfen mit FeLV, FIV etc. infiziert oder wegen der 100sten Urinlache vom Nachbarn vergiftet wird, sehr wohl! 😉
> Wie gesagt, ich sehe den Patienten.

Na ja. Aber wo hört man dann auf? Mit Krallenziehen und chirurgischem Entbellen? Klar kann man die Tiere immer passender machen, damit es die Halter leichter haben und sie bloß nicht abschieben, aber will man das wirklich? Wenn ein Halter eine Katze oder einen Hund nur dann haben will, wenn sich das Tier eigentlich nicht mehr wie ein richtiges Tier verhält, sollte er sich ein Plüschtier halten. 😉

> Ich kann allerdings Ihren Vermutungen nicht ganz folgen:
„Ein frühkastriertes Tier, das sich im erwachsenen Alter wie ein Welpe benimmt oder (für Katzen) wie ein Jungtier riecht, könnte außerhalb der normalen Sozialkontakte stehen oder sogar zum „Prügelknaben“ der anderen Tiere werden. Zu diesen Punkten gibt es meines Wissens bisher keine Untersuchungen.“
> Ich denke, inzwischen gibt es erste Untersuchungen, welche die Prügelknabentheorie im Zusammenhang mit potenten Katern bestätigen.
> Aber wieso sollte ein Jungtier außerhalb der normalen Sozialkontakte stehen?

Ein Jungtier nicht, das hat ja eine Mutter, die fremde Kater fernhält.

> Was aber nicht ausschließt, dass sie das für ihre frühkastrierten Jungen auch tun würde. Oder die Sippe für sich.

Die Sippe kümmert sich um junge Kater überhaupt nicht, die haben abzuwandern. Um ältere Kater auch nicht, die kommen allein klar.

Um ein frühkastriertes Jungtier wird sich die Mutter sicherlich kümmern – solange es ein Jungtier ist. Wenn der Jungkater älter als 1 Jahr alt ist aber nicht mehr, und wenn er dann sein Leben lang massiv gemobbt wird, kann er einem leidtun.

> Wie wurde das bestätigt? Unter welchen Voraussetzungen ist das so?

Bei „meinen“ beobachteten Katzen war das so, auch von Fütterern habe ich nie etwas anderes gehört. Aus Katersicht ist es auch logisch – normalkastrierte Kater sind weder Konkurrenz noch Paarungspartner, aber selbstbewusst genug, um sich durchzusetzen, also werden sie ignoriert.

> (Kastrationsalter, Gruppenzusammensetzung, Gruppendynamik)

Egal.

> Und wie lange wurden Frühkastraten eigentlich beobachtet um sicher sagen zu können, dass sie nicht doch auch lernen, sich in einer Gruppe zu behaupten?
> Dass sie evtl. das Auftreten eines spät kastrierten Katers erlernen.

Ich hatte einen, der hat es in 12 Jahren nicht gelernt.

Bei anderen Tieren ist das ja auch bekannt. Ein jung kastrierter Wallach wird sich nie wie ein Hengst oder ein spät kastrierter Wallach benehmen – deshalb kastriert man z.B. Pferde ja vor der Geschlechtsreife, dann sind sich lenkbarer und leichter zu nutzen. Andere Tiere wie Ziegen und Schweine kastriert man vor der Geschlechtsreife, damit sie nicht so streng riechen, und das tun sie dann lebenslang nicht, während ein spätkastrierter Bock oder Eber immer „männlich“ stinkt. Warum sollte das bei Katern anders sein? Das Verhalten wird ja nicht vornehmlich gelernt, sondern durch einen hohen Testosteronspiegel ausgelöst, und den hat(te) ein frühkastrierter Kater nun mal nicht. Der Körpergeruch wird sowieso nicht gelernt. 😉

> „Natürlicherweise“ hätten wie aber auch das Problem im Tierschutz nicht und würden gar nicht kastrieren. 🙂

Das finde ich zu einfach gedacht. Es geht ja um die Tiere, und ob man ihnen mit einer neuen Methode einen Gefallen tut, oder eher im Gegenteil.

> Ich sprach von Wohnungskatzen.
> Mein Problem dabei ist nur, dass dies nicht angesprochen wird, wenn es um fachliche Diskussionen zur Frühkastration geht. Es sind aber doch hauptsächlich die Wohnungskatzenbesitzer, die ihre Katzen medizinisch versorgen lassen.

Aber bei Wohnungskatzen hat doch die Frühkastration eigentlich keinen Sinn, es sei denn, man hält viele (was nicht katzengerecht ist) und will unkontrollierte Paarungen verhindern. Wohnungskatzen kann man ja in jedem beliebigen Alter zum Tierarzt bringen, also auch abwarten, bis sie halbwegs ausgewachsen sind.

> Meiner Erfahrung nach, macht es keinen Unterschied, ob alle frühkastriert sind, oder nicht. Nachdem ich jetzt kein Material zum Auswerten sondern nur Aussagen der Besitzer habe, bleibe ich leider den Beweis schuldig. Aber ich denke, wenn es auch nur so ist, dass der Frühkastrat die Rangeleien spielerischer sieht, stellt das für die Katzentruppe in einer Wohnung bereits einen Vorteil da, weil sich die Aggressionen nicht so aufschaukeln können als wenn es für beide ernst wäre. Unsinn oder nachvollziehbar?

Kann sein. Wenn es nicht dazu führt, dass der Frühkastrat für andere der Prügelknabe ist.

Aber da Katzen sehr individuell und unterschiedlich sozial sind, spielen da wahrscheinlich so viele Faktoren rein, dass die Frühkastration keine große Rolle spielt.

> Aber es hilft den Wohnungskatzen eben nicht, wenn die Lehrmeinung ist, dass die FK bei allen Katzen abzulehnen ist. (Und man anstatt dessen Jahre später Freigang als verhaltensmedizinische Maßnahme vorschlägt… in einer Großstadt!)

Reine Wohnungshaltung ist nun mal für die meisten Katzen nicht wirklich katzengerecht, die Haltung einer Katzengruppe in einer Wohnung schon gar nicht. Man muss sich klar machen, was man den Tieren damit antut, ob frühkastriert oder nicht. Würdest Du den Tieren auch Beruhigungsmittel geben, damit sie schlechte Haltungsbedingungen leichter ertragen und ihre Halter weniger ärgern? Ich würde wohl eher versuchen, sie anderswo unterzubringen, wo sie ihr normales Verhalten ausleben können.

> Ich gebe ja die Hoffnung nicht auf, dass es irgendwann doch gelingt, eine klare Aussage zu treffen, ob eine frühere Kastration für Katzen in unmittelbarer menschlicher Obhut mehr Vorteile bringt oder eben nicht. Gerade aus ethologischer Sicht.

Wahrscheinlich nicht, dafür sind Katzen und Halter zu verschieden. 😉

Der eine Halter findet eine Katze, die sich dauerhaft wie ein Jungtier verhält, ziemlich gruselig, der andere toll. Der eine Kater hat von Haus aus einen hohen Hormonspiegel und wird durch die Frühkastration so, wie andere Katzen von vornherein sind. Der andere hat eine geringe Durchsetzungsfähigkeit, die normalerweise in der Pubertät auf Normalniveau ansteigen würde, durch die Frühkastration lässt er sich lebenslang „die Butter vom Brot“ wegnehmen. usw. usf. Die Frage lässt sich schlecht für alle Katzen und alle Halter beantworten.

> Meine Idee war eher, dass es ja das Ziel jedes Kastrationsprojektes sein müsste, die Gesamtpopulation (von Fabrikhalle X oder Bauernhof Y) an der Fortpflanzung zu hindern. Und dass ein Neuzugang ebenso alsbald kastriert werden würde. (Oder ab einer bestimmten Gruppengröße vertrieben?) Das angestrebte Ziel also. Aber ich verstehe, dass es unklug ist, dabei den Weg dorthin zu vernachlässigen, solange eben noch jede Menge unkastrierte Kater zuziehen können.

Man sollte sich v.a. darauf konzentrieren, die Weibchen zu kastrieren, egal in welchem Alter man sie erwischt. Kater kann man dabei komplett vernachlässigen, ob die kastriert sind oder nicht spielt für die Fortpflanzung überhaupt keine Rolle.

> Ich habe einige Jahre lang im Katzenschutz geholfen, Bauernhofkatzen aus ländlichen Gegenden zu kastrieren, deren Jungen zu vermitteln… damals aus finanziellen Gründen noch ohne FK. Nachdem ich die FK bei Wohnungskatzen aber doch mehr befürworte als kritisiere, bin ich mir nun nicht sicher, wie ich – wenn ich mit dem Studium fertig bin – die Situation mit eingefangenen Streunerkatzen handhaben würde. Im Einzelfall? Wenn klar ist, dass ein Platz vorhanden ist? Es geht ja auch darum, der Verbreitung von Krankheiten Einhalt zu gebieten.

Ich sehe eigentlich nur eine Situation, in der ich Frühkastration wirklich befürworte: wenn weibliche Katzen als Jungtiere eingefangen werden oder vermittelt werden sollen und es unklar ist, ob man sie noch mal zur Kastration bekommt, wenn man sie nicht gleich kastriert.

Bei Wohnungskatzen und Katern sehe ich keinen Grund für eine Frühkastration. Bei wildlebenden Katern halte ich sie für grundfalsch, bei Wohnungskatern und -katzen für unnötig.